zurück
zur Übersicht Lesungen
Sebastian Sick: "Der
Dativ ist dem Genitiv sein Tod"
4. Mai 2006, Braunschweig
Mit unfreiwilliger Komik liefert der Veranstalter dem gut gelaunten Autor
die ersten Lacher, bevor dieser überhaupt eines seiner Bücher zur Hand
nimmt. Sebastian Sick hebt statt dessen eine Tragetasche der Buchhandlung
in die Höhe und weist auf den Aufdruck hin: "Noch mehr Bücher und
CD's gibt es bei www.graff.de".
Dann geht's sogleich in die Vollen. Sick zitiert mit gerrrolltem R und
ordentlich geäht Stoibers vor einiger Zeit durchs Internet verbreitete
Beschreibung eines - ja: was? Bahnhofs? Flughafens? Man weiß es nicht. Im
Publikum werden die ersten Taschentücher gezückt. Lachtränen!
Nachdem wir uns alle mal bildlich vorstellen sollen, wie man eigentlich
einen Weg streut ("Man streut Sand, aber keinen Weg, das Sandmännchen
streut ja auch keine Augen"), tauchen wir ein in das Dolce Vita
italienischer Restaurants.
Abendlatte
für 2 Euro
"Am Eingang streifen wir ja die deutsche Identität ab und werden zu
Italienern." Das zeige sich besonders deutlich bei der
professionellen Bestellung italienischer Speisen und Getränke - auf
italienisch, versteht sich. Nach zahlreichen Beispielen peinlicher
Aussprachefehler und dem Sinnieren darüber, warum die Deutschen wohl
derart bemüht seien, italienische Gerichte italienisch auszusprechen,
obwohl das in Deutschland doch gar nicht nötig sei, folgt ein Exkurs in
das Fach "italienische Kaffeespezialitäten", der uns in ein
Krefelder Lokal führt: Hier kann der Gast eine "Abendlatte" für
2 Euro bekommen.
Wir verweilen noch ein wenig in der Gastronomie und erfahren, dass hier
auffallend oft das Imperfekt verwendet wird, wo eigentlich das Präsens
angebracht wäre: "Also, Sie wollten den Seeteufel?" -
"Aber ich will ihn immer noch!" - "Und wer bekam das
Huhn?"
Wohl durchs Essen angeregt trällert Sick in bester Stimmung mehrere
Strophen eines Schlagers von Mireille Mathieu: "Gott lebt in
Frankreich." Jaa, das seien noch Zeiten gewesen, als Gott noch in
Frankreich lebte. Aber der sei nun offenbar nach Amerika ausgewandert. Ein
Mannequin sei jetzt ein Model, eine Sauce nun ein Dressing, und ein Alain
Delon sei heute ein Bruce Willis.
Ewig
währt am längsten!
Zum Schluss lernen wir Sibylle kennen, eine Freundin von Sick. Die schießt
nicht mit Tauben auf Spatzen. Würde jemand so etwas tun, würde sie zur
Salzsäure erstarren. Sibylle ist als Einbeinige die Königin unter den
Blinden und hat immer einen Triumph im Ärmel. Und eines dürfen wir nie
vergessen:
Ewig währt am längsten!
Eine Lesung mit Sebastian Sick ist ein Hochgenuss, er ist ein
ausgezeichneter Unterhalter und versteht es, mit einer Mischung aus
Vorlesen und freiem Erzählen das Programm ausgesprochen kurzweilig zu
gestalten und das Publikum bei bester Laune zu halten. Und es ist
eine große Freude, ihm dabei zuzusehen, wie er selbst Spaß an seinem Job
hat.
zurück
zur Übersicht Lesungen
|