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Element of Crime 
7. März 2006, Wien


Als ich den riesigen Saal betrete und feststelle, dass ich noch einen Stehplatz direkt vor der Bühne ergattern kann, nehme ich lediglich drei oder vier Schluck von meiner Schorle und stelle das Glas anschließend endgültig weg. So einen klasse Platz gebe ich doch nicht wegen eines banalen Toilettenganges auf! Lieber verende ich an innerer Austrocknung.

Begeisterter Applaus, als endlich die Musiker auf die Bühne kommen. Aber zu früh gefreut! Zu meinem Entsetzen latscht ein zugewachsener Reinhold-Messner-Kerl im karierten Holzfällerhemd ans Mikrophon: Eine Vorgruppe!!! Ich bin entsetzt. Das belanglose, öde, überflüssige und sich endlos hinziehende Geklampfe dauerte gefühlte sechs Stunden. Riesenjubel, als sie endlich das letzte Stück ankündigen.

Nachdem dieser Spuk endlich vorbei ist, kommt ER auf die Bühne. Allein. Tritt ans Mikrophon, und ich ahne nichts Gutes. SCHOCKZUSTAND!

Da ich mit dem Schlimmsten gerechnet habe, erscheint mir seine Botschaft noch einigermaßen erträglich: Der Gitarrist Jakob Ilja sei krank. Sie würden ohne ihn spielen. Das werde allerdings kein richtiges Element-of-Crime-Konzert werden. Deshalb könne jeder, der das nicht hören wolle, jetzt gehen und sein Geld an der Kasse abholen. Antwort des Publikums: Riesenapplaus. Am nächsten Tag wird in der Zeitung stehen, dass niemand gegangen ist.

Jakob Iljas Gitarre fehlt natürlich an allen Ecken und Enden. Regener gibt sich die größte Mühe, die Lücke zu schließen, indem er alle Stücke mit unterschiedlichen Gitarren selbst begleitet, aber dadurch kann er - zweiter großer Verlust - natürlich nicht Trompete spielen. Es fehlen also zwei Instrumente: die Leadgitarre und die Trompete. Es gibt somit nur ein einziges Trompetenstück.

Viele Stücke sind geprägt durch die typischen langgezogenen Gitarrenpassagen, da fehlt Jakob Ilja natürlich besonders. Aber das Publikum antwortet, indem es im Chor die Gitarrenklänge ersetzt. Das klingt teilweise recht ... unschön ... - aber es ist ausgesprochen rührend und eine tolle, solidarische Geste.

Herr Regener trägt übrigens einen grauen Anzug und darunter ein schwarzes Oberhemd. Nix mit Jeans und Schlabbershirt! Ein kleines Zugeständnis an die Opernball-Stadt Wien? Sieht aber toll aus! Toll! Beim Trompetenlied wird die gesamte Bühne in silbernes Licht getaucht, und man sieht ihn nur noch als Schattenriss, die anderen Musiker sind verschwunden. Später gibt es noch eine ähnliche Szene, in der der gesamte Bühnenraum knallrot eingefärbt ist und er sich dunkel dagegen abzeichnet.

Die Stimmung ist riesig, und Regener wirft nach jedem dritten Stück mit hochgerissenen Armen die Parole "ROMANTIK !" ins Publikum.

Und ich fange sie jedesmal auf!
  :-)

Das EoC-Gästebuch enthält im Anschluss an das Konzert ziemlich viel Mecker-Einträge über die Begleitumstände, die angeblich schlechte Akustik und darüber, dass sie in dieser Formation überhaupt gespielt haben. Ich kann das nicht verstehen. Von mir aus kann der Romantikgott auch noch ohne die anderen beiden Musiker ganz allein in meinem Wohnzimmer aufspielen - nur mit Trompete! Und mein Wohnzimmer hat eine saumäßige Akustik!

Trotzdem freue ich mich natürlich, dass ich die Band noch einmal in Berlin sehen werde und hoffe sehr, dass sie bis dahin wieder komplett sein werden.


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