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Sight-City in Frankfurt am Main

Messe für Blinde und Sehbehinderte 

8. Mai 2008

Als ich mich dem Hauptbahnhof nähere, staune ich nicht schlecht: Die im Sonnenlicht funkelnde Frankfurter Skyline ist beeindruckend und lässt tatsächlich Vergleiche mit den berühmten Bildern von Manhatten zu.

Ich begebe mich zum Bahnsteig der S-Bahn, die mich zur Sight-City bringen soll, und weiß aber noch immer nicht ganz genau, wie ich zu der Messe gelangen werde. Ich habe mir zwar die Anfahrtsbeschreibung ausgedruckt, finde diese aber etwas verwirrend.

Plötzlich sehe ich am Bahnsteig zwei Blinde mit einer sehenden Begleitperson stehen. Sehr gut, sage ich mir, die werden dasselbe Ziel haben wie ich, und denen werde ich unauffällig folgen. Doch dann begibt sich die sehende Begleitperson direkt unter die elektronische Tafel, die auf dem Bahnsteig Ankunftszeit und Ziel der nächsten Bahn anzeigt, und versucht, diese zu entziffern. Mit mäßigem Erfolg.

Ich schäme mich und denke um: Vermutlich werde ich diejenige sein, die den Dreien ihre Hilfe anbieten wird. Krame nochmal die Anfahrtsbeschreibung 'raus und versuche mir zu merken: Treppauf, treppab, Kurve links, Kurve rechts, Rolltreppe rauf, geradeaus und direkt ins Hotel.

Als wir die S-Bahn verlassen, steht am Bahnsteig allerdings bereits eine Hilfsperson der Sight-City in einem auffälligen und für Sehbehinderte vermutlich gut sichtbaren gelben T-Shirt und bietet freundlich ihren Escort-Service an. Ineinander eingehakt marschieren die Vier los, und ich trotte hinterher.

Im Vergleich zu den Sehbehinderungen der meisten Messebesucher ist meine eigene Beeinträchtigung kaum der Rede Wert. Ich besuche die Messe lediglich, weil ich bereits seit Jahren eine Leselampe suche, die sehr helles Licht abgibt, aber dabei nicht heiß wird.

Große Auswahl an BlindenstöckenDie Sight-City beeindruckt mich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen faszinieren mich ihre blinden oder sehr stark sehbehinderten Besucher, wie sie sich selbstbewusst und geschickt ihren Weg durch die Menge bahnen und in der Lage sind, an der Vielfalt der Ausstellungsstände gezielt die gewünschten Informationen einzuholen.

Zum anderen bin ich überrascht von der großen Anzahl an Hilfsmitteln, die mittlerweile auf dem Markt sind: Farberkennungsgeräte mit Sprachausgabe, sprechende Blutdruck- und Zuckermessgeräte, Vorlesegeräte, Handys mit riesigen Zahlen und Buchstaben im Display. Jede Menge Lupen und Lampen sowie mobile Lesegeräte oder Bildschirm-Lesegeräte, viele Hilfsmittel zum Erkennen und Aufbewahren von Münzen und Banknoten, zahlreiche Spiele mit fühlbaren Spielsteinen und -brettern, Spielkarten mit extragroßen und fühlbaren Symbolen. Für den Haushalt: Füllstandsanzeiger für Flüssigkeiten, ein Milchwächter (eine Keramikscheibe wird in die Milch gegeben und macht sich bei Überkochen akustisch bemerkbar), Messbecher mit fühlbaren Markierungen, ein sprechendes Maßband.

Farberkennungsgerät Füllstandsanzeiger Münzcontainer

 

Auch für mich ist etwas dabei, dann ich finde zum Schluss tatsächlich meine Lampe! Sie spendet bei vergleichsweise geringer Wattzahl sehr helles und angenehm bläuliches Licht, wird dabei nicht heiß und hat ein ansprechendes Design.


Frankfurt

Jetzt habe ich noch zwei Stunden Zeit, bevor mein Zug fährt, und die werde ich für einen Bummel durchs Frankfurts City nutzen.

Ich nehme also wieder die S-Bahn, steige am Hauptbahnhof aus und begebe mich auf den Weg in die Innenstadt. Zunächst komme ich an recht drittklassigen Kneipen und Geschäften vorbei. Doch langsam wird die Gegend netter, und ich gerate in einen Wochenmarkt. Überall wird Äppelwoi angeboten, für ein Nordlicht wie mich ein eher  ungewöhnliches Bild. Ich laufe weiter, die Geschäfte werden anspruchsvoller, die Lokale gepflegter. Immer öfter kommen mir jetzt geschniegelte Typen in Schlips und Kragen entgegen. Und dann befinde ich mich mittendrin im Bankenviertel, in Frankfurts Mainhatten.

Was ich vorher nicht für möglich gehalten hätte - denn mein Bild von Frankfurts Architektur war bisher von negativen Vorurteilen geprägt - : Ich kann den verspiegelten Hochhäusern durchaus eine Ästhetik abgewinnen! Zumal sich am Fuße zumindest jener Gebäude, denen ich begegne, immer auch - wie zum Ausgleich für Stahl, Beton und Glas - kleinere oder größere Grünanlagen befinden, deren Bäume sich sehr hübsch in den Glasfronten spiegeln.

  

 

Hauptwache von 1730Ich erreiche die Hauptwache, ein 1730 erbautes barockes Gebäude, das inmitten von Frankfurts Nachkriegsarchitektur wie ein architektonisches Kleinod wirkt. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich ein Kaufhaus, dessen Dachterrasse im 7. Stock einen übersichtlichen Blick über die Stadt bietet. Auf mich wirkt die Frankfurter Innenstadt von hier oben aus recht unaufgeräumt und unattraktiv. Den visuellen Höhepunkt bietet auch aus dieser Perspektive lediglich das Ensemble der Hochhäuser.

 

Auf dem Rückweg zum Bahnhof unternehme ich noch einen Abstecher zum Goethehaus. Um Goethes langjährigem Wohnsitz einen längeren Besuch abzustatten, reicht die Zeit leider nicht mehr. So kann ich nur sehr kurz aber intensiv seinen Geist auf mich wirken lassen. Fast hätte ich im Verkaufsshop eine Gipsbüste des großen Meisters der Literatur erworben, aber da ich kein Klavier besitze, auf dem ich das edle Stück aufstellen könnte, nehme ich von diesem Vorhaben wieder Abstand. 


Als ich im ICE Richtung Heimat sitze, bin ich nachträglich ziemlich überrascht. Quasi im Vorbeigehen und völlig unvorbereitet hatte ich die Gelegenheit dazu, über meinen Messebesuch hinaus der fünftgrößten Stadt Deutschlands einen Besuch abzustatten und mir von ihr einen zwar kurzen, aber dennoch intensiven Eindruck zu verschaffen.

 


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