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Wien
6. bis 8. März 2006
Nachdem
ich auf dem Hannoveraner Flughafen eingecheckt und den Koffer abgegeben
hatte, war ich in aufgeräumter Stimmung. Jetzt konnte es losgehen! Zwei
Tage Wien lagen vor mir, einschließlich eines Konzerts der von mir heiß
geliebten Band "Element of Crime".
Nachdem ich noch eine halbe Stunde in der Halle herumgeschlendert war und
etwas gegessen hatte, ging ich durch die Sicherheitskontrolle. Die
Flughafenmitarbeiterin scannte meinen Gepäckschein und verkündete, dass
mit meinem abgegebenen Koffer etwas nicht in Ordnung sei. Während sie
telefonierte, überlegte ich fieberhaft, welchen Gegenstand aus meinem
Koffer man wohl mit einer Bombe verwechseln könnte. Es kam ein
uniformierter Mann, der mich in einen fensterlosen Raum verbrachte. In dem
Raum gab es nur einen Tisch. Auf dem Tisch lag mein Koffer. Daneben eine
Wärmebildaufnahme seines Inhalts. Der Mann umkreiste mit einem Stift
einen Gegenstand: "Was ist das?" Ich lief knallrot an.
"Mein Reiseheizlüfter! Den nehme
ich immer mit! Und es gab noch nie Beanstandungen!" Er forderte mich
auf, den Koffer zu öffnen, nahm das Gerät heraus und steckte den Stecker
in eine Steckdose um zu prüfen, ob es sich wirklich um einen Heizlüfter
und nicht um eine Bombe handelte. Da ich meine Wien-Reise nicht
leichtfertig gefährden wollte, verzichtete ich auf den Gag, mir dabei die
Finger in die Ohren zu stecken.
Nachdem ich in Wien am Abend mein Hotelzimmer bezogen hatte, machte ich
mich noch einmal auf, um erste Erkundungen der Stadt zu unternehmen. Bei
eisiger Kälte stand ich absoluter Wien-Neuling ergriffen vor dem
Stephansdom (Aah! Das isser also!), der sich allerdings später als die
Votivkirche entpuppen sollte. Weiter ging es zur Universität
und zum Burgtheater, zwei imposante
Gebäude, die am Abend eindrucksvoll angestrahlt waren, und deren
Innenleben ich, soweit es die Situation erlaubte, schon einmal erkundete.
Vollkommen durchgefroren ging ich zurück ins Hotel, las das inzwischen
eingesammelte Info-Material und erstellte einen Plan für den nächsten
Tag.
Der begrüßte mich mit Sonnenschein und einem knallblauen Winterhimmel!
Nach dem Frühstück flitzte ich zur U-Bahn, um um 10.30 Uhr am Treffpunkt
für eine Führung zu sein. An der Oper sollte es losgehen, Thema: Hofburg
und Umgebung. Ich kaufte am Schalter ein paar Tickets und stieg in die
Bahn. Irgendwas musste ich vorab irgendwo übersehen haben: Denn hier in
der Bahn konnte man seinen Fahrschein gar nicht entwerten. Ich fuhr also
schwarz.
Bereits zwei Stationen später traute ich meinen Ohren nicht: "Die
Foaschäine biddä!" Schock! Es durchfuhr mich kalt und heiß. Ich
war wieder zwölf, wurde erwischt und von der Polizei nach Hause gebracht.
Nee, das nicht nochmal! Ganz langsam und beiläufig erhob ich mich vom
Sitz und schlenderte zum Ausgang. Stieg aus. Was ich mein ganzes Leben
nicht für möglich gehalten hatte: es funktionierte!
Nun befand ich mich natürlich außerhalb der U-Bahn auf vollkommen
unbekanntem Terrain. Fragte mich aber durch zur Oper und kam rennend 5
Minuten zu spät zum Treffpunkt, die Gruppe war glücklicherweise noch da
und gerade im Begriff zu starten.
Vorbei an Oper und Hotel Sacher ("Das Sacher war damals ein Skandal!
Das einzige Lokal mit Chambre Séparée! Da sind die Ballettmädel nach
der Oper schnell hinübergelaufen und haben sich mit den wohlhabenden
Herr'n vergnügt") ging es zur Hofburg, dem damaligen Regierungssitz
der Habsburger. Man kann den riesigen, sich aus herrschaftlichen Gebäuden
und interessanten Innenhöfen und Gärten zusammensetzenden Komplex als
frühere "Stadt in der Stadt" bezeichnen.
Anschließend gab es noch einen Einblick in die teuerste Einkaufsgegend
Wiens, was mich eher weniger interessierte, bis die Tour am Stephansdom
(dem echten!) endete.
Halt: Auch in die Kaffehauskultur wurden wir eingewiesen. In früheren
Zeiten gab es in den Häusern Farbtafeln mit bis zu 35 Braunabstufungen.
Man konnte einen Kaffee in der bewussten Farbe bestellen, und gab es eine
Abweichung, konnte man ihn zurückgehen lassen. So etwas gibt es heute
nicht mehr. Aber die unterschiedlichsten Kaffeevarianten durchaus. Daher
der eindringliche Appell: "Wenn Sie sich richtig blamieren wollen,
dann bestellen Sie einfach nur einen Kaffee."
Da ich aber keine Im-Kaffeehaus-Herumsitzerin bin, habe ich mich
kurzerhand für die Blamage am Hot-Dog-Stand entschieden. Auf dem Rost
lagen etliche Bratwürste, aber die wollte ich nicht. "Haben Sie auch
Bockwürste?" - "Naa, dos woaß i net, woas dos is!" Ich:
"Na, so welche, die man im Wasser heiß macht." Und nach einer
kleinen, schüchternen Pause: "......Wiener ..." Sie
zuckte mit den Schultern, griff aber dennoch vielversprechend nach einer
Würstchenzange und hob einen Deckel hoch. Zutage trat eine dicke Wurst,
mit der ich durchaus zufrieden war. "Dos is oane Burener!" Soso,
in Deutschland heißen die Würstchen Wiener, in Wien heißen sie Burener,
und in Berlin heißen die Berliner .... aber lassen wir das besser.
Derart gestärkt begab ich mich in das Sisi-Museum.
Sisi war 1,72 m groß, hatte
bodenlange Haare und wog ihr ganzes Leben lang nie über 50 kg bei einem
Taillenumfang von 50 cm. Musste sie für einen offiziellen Empfang zurecht
gemacht werden, dauerte dies fünf Stunden. Ihren Sport- und Körperkult
baute sie während ihres Lebens stetig aus. So gab es in ihrem Haushalt
die berühmte Entenpresse, mittels derer aus dem Entenfleisch
überflüssiges Fett herausgepresst wurde. Auch diverse Sportgeräte kann
man dort bewundern sowie einen extra für sie konstruierten und
eingerichteten Salonwagen der Bahn. Das Museum umfasst zudem sämtliche
private und offizielle Gemächer des Kaiserpaars. Man fühlt sich
zurückversetzt in die Sissi-Filme, die ich jetzt übrigens sofort alle
hintereinander sehen will!
Um mir einen Überblick über den Aufbau der Stadt und die Architektur
sowie historische Grundinformationen zu verschaffen, unternahm ich eine
Stadtrundfahrt. Die Schönheit dieser Metropole ist einfach
überwältigend! Von den an der um das Stadtzentrum herum führenden
Ringstraße gelegenen herrschaftlichen Gebäude ist eines schöner als das
andere. Diverse in Jugendstil, Renaissance oder Klassizismus
errichtete Monumentalbauten laufen sich gegenseitig den Rang ab. Für eine
Hobby-Architekturhistorikerin wie mich ein Fest für die Augen!
Die Stadt ist sehr klar strukturiert: In der Mitte der Stephansdom, in
einigem Abstand (ca. 5 bis 10 Gehminuten in jede Richtung) herum die
Ringstraße mit den oben beschriebenen Gebäuden. Dahinter die später
hinzugekommenen Außenbezirke. Das macht Wien sehr übersichtlich -
anders, als zum Beispiel Berlin, das ja aus vielen einzelnen Dörfern
entstanden ist und dadurch nicht ein deutlich definierbares Zentrum hat.
Schon wieder Hunger! Da ich mich schonmal im Zentrum befand , besuchte ich
am späten Nachmittag in drei Teufels Namen tatsächlich den Figlmüller,
das weltberühmte Schnitzellokal mit den angeblich weltgrößten Wiener
Schnitzeln. Auf die Weltgröße kam es mir dabei allerdings weniger an als
darauf, dass es hier hoffentlich noch "original" war. Das Original
wurde mir dann tatsächlich in Wagenradgröße serviert. Hauchdünn zwar,
aber den Tellerrand mächtig überlappend. Ich kapitulierte, nachdem ich
etwa drei Viertel verspeist hatte. Der Ober: "Das ist sogar schon
manchem Herrn passiert!"
Derart vollgestopft und gelähmt ließ ich von meinem Vorhaben, den
Südturm des Stephansdoms über die
Treppen zu erklimmen, ab und entschied mich kurzerhand für die
Fahrstuhlversion um, die für den Nordturm angeboten wird. In einer
beklemmenden, fensterlosen Röhre fuhren ich und der Fahrstuhlmann nach
oben, während er mir drei Euro abknöpfte. Oben sagte er
"bitteschön" und entließ mich auf ein etwa ein Meter schmales
Gitter mit freiem Blick nach unten, das vertikal ebenfalls durch ein etwa
1,50 m hohes Gitter abgesichert ist, und verschwindet in seiner Röhre
nach unten.
Ich stand mutterseelenallein, panisch mit dem Rücken an irgendwas
Stepahnsdomiges gepresst, vor und unter mir kein Halt, links die Ziegel
des Domdachs ... Aber nein! Ich war nicht allein! Über mir sah ich
Japaner! Wie sind sie dort hingekommen? Ich tastete mich - immer mit dem
Rücken an das Domige gepresst - weiter nach links und gelangte an eine
Treppe. Die war genauso durchsichtig wie das Gitter, auf dem ich stand,
und man konnte durch sie gefühlte 3000 km in die Tiefe sehen.
Mit beiden Händen an das Geländer geklammert wackelte ich die Stufen
hinauf. Oben angekommen sah ich die Japaner, wie sie mühelos auf dem
Plateau herumliefen und die Aussicht genossen und - natürlich -
fotografierten. Ich krampfte mich an dem Geländer fest, guckte einmal
kurz in jede Himmelsrichtung: "Schön - schön - schön -
schön." Und fragte mich, wie ich den Abstieg über diese
durchsichtige Treppe schaffen soll.
Irgendwie kriegte ich das hin und erreichte den Fahrstuhl. Es stieg noch
ein Typ dazu, der aussah wie der Glöckner von Notre Dame. Gleichzeitig
fühlte ich mich erinnert an die Ausführungen meiner Stadtführerin vom
Vormittag, die erzählte, dass die Habsburger alle einen schrecklichen
Unterbiss gehabt hätten, der durch die ständig vollzogene Inzucht sich
immer deutlicher ausgebildet hätte. Der Fahrstuhlgast war eine Mischung
aus Glöckner und Habsburger. Und er berichtete dem Fahrstuhlmann, dass er
oben viel Schnee gesehen habe, und dass das gefährlich sei. Wegen
Lawinengefahr. Dabei rumpelte es in der fensterlosen Fahrstuhlbombe ein
paar Mal ganz fürchterlich.
Als ich unten aussteigen durfte, war ich froh.
Für 60 Cent "Eintritt" darf man die "Operntoilette"
der U-Bahnstation an der berühmten Wiener Staatsoper
besuchen, wo der jährliche Opernball stattfindet. Die Wände der
Toiletten sind schön mit Opernmotiven verziert, die Toilettenkabinen
heißen nicht "Klo", sondern "Loge", und sein
Geschäft kann man in Begleitung von Richard-Strauß-Musik verrichten.
Krass erscheint dagegen der anschließende Weg zur gewünschten
U-Bahn-Station, der mitten durch die Wiener Drogen-Szene führt.
Zum Element-of-Crime-Konzert am Abend
fand ich mich überpünktlich ein und ergatterte einen guten Platz gleich
vorn an der Bühne. Riesiger Wermuthstropfen: Der Gitarrist war erkrankt!
Die Band brachte ihr (Not-)Programm zwar dennoch über die Bühne, aber
die Gitarrenanteile haben alle Fans schmerzlich vermisst, genauso wie die
Trompetenstücke, die aufgrund der Umstellung des Programms gegen null
reduziert werden mussten. Trotzdem habe ich jede Sekunde des Konzerts rund
um den Romantikgott Sven Regener aufs Äußerste genossen und geliebt!
Am nächsten Morgen stand als erstes das Freud-Museum
auf dem Plan. Wahnsinn! Man kommt in das Vorzimmer, und da hängen Hut und
Mantel! Nebenan gleich der Warteraum,
ausgestattet mit originalen, weinrotbezogenen Sitzmöbeln und Bildern an
der Wand. Das ist alles derart authentisch, dass man sich fragt, ob die
Tür mit dem "WC"-Schild nun ein Bestandteil der Ausstellung
ist, oder ob man da als Besucher draufgehen kann.
Das war's dann aber auch schon mit authentischer Wohnungsausstattung. Als
Freud in den 30er Jahren ins Exil gehen musste, hatte er alle Möbel
mitgenommen. Auch die Couch. Aber! In seinem Behandlungszimmer ist die
Stelle, an der die Couch einst stand, deutlich kenntlich gemacht, und als
ich mich darauf gestellt habe, habe ich gespürt, dass dies ein magischer
Ort ist.
Ich konnte mir jedenfalls sehr gut vorstellen, noch ein paar Minuten in
seinem weinroten Wartezimmer Platz zu nehmen, alsbald von ihm aufgerufen
zu werden und anschließend mit ihm im Liegen über meine Höhenangst auf
dem Stephansdom zu sprechen.
Magisch auch der Ausblick aus dem Fenster in seinem Arbeitszimmer, vor dem
sein Schreibtisch gestanden hatte, an dem er einen Großteil seiner
Schriften verfasst hat. An dem Fensterkreuz hängt noch immer der alte
Spiegel, anhand dessen der starke Zigarrenraucher die durch den
Mundhöhlenkrebs erfolgten Veränderungen in seinem Gesicht verfolgte.
In einem Nachbarraum konnte man private Stummfilmaufnahmen über Freud aus
den 30er Jahren betrachten - kommentiert von seiner Tochter Anna - aus
denen sehr deutlich hervorgeht, was für ein eitler Stenz dieser Mann war.
Für den Rest des Tages stand bis zum Rückflug freies Herumschlendern auf
dem Programm. Das führte mich noch einmal über die Ringstraße an den
schönsten Gebäuden vorbei - wie zum Beispiels das Parlament, das im Stil
eines griechischen Tempels erbaut wurde und für mich das schönste
Gebäude Wiens ist - und durch einige Parks, von denen ich mir leider nur
vorstellen konnte, wie schön diese vermutlich im Sommer sein würden.
Bei einem weiteren traditionellen Essen - einem österreichischem Gulasch
im Traditionslokal Beisl - dachte ich noch einmal an eine Information
meiner Stadtführerin vom Vortag: "Wien hat einhundert Museen!"
Davon habe ich gerade drei gesehen. Da gibt's doch noch einiges zu tun!
Ebenso verheißungsvoll das März-Programm der Staatsoper, das
stellvertretend genannt sei für das sensationelle Programmangebot des
Hauses: "La Traviata. Coppélia. Don Carlo. Un ballo in maschera.
Lohengrin. Il barbiere di Siviglia. Aida. Schwanensee."
Ich bin begeistert von dieser Stadt, von ihrer Architektur, von ihrer
Kultur, von ihren Bewohnern, die so stolz auf ihre Stadt sind. Auch von
ihrem perfekten Marketing, dem es gelingt, dass sich der Besucher auch
heute noch zuweilen als Bestandteil einer Sisi-Operette fühlt und für
dieses Empfinden auch das eine oder andere Mal verstohlen das Portemonnaie
zückt.
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